Gehören Gefühle in berufliche Texte?

Frage: Als Wirtschaftsprüfer bekomme ich täglich zig E-Mails. Es geht im Wesentlichen um Daten und Fakten. Wieso benutzen meine Kollegen dann ständig Ausrufezeichen?

Antwort: Ihre Frage finde ich wirklich interessant!!! – So etwas meinen Sie, oder?

Durch Ihre Frage wird ein Thema sichtbar, das schwer zu greifen ist: Wie teilt man Kolleg.innen Gefühle mit, die mit einer Sachinformation einhergehen?

Gefühle in Texten erkennen und übersetzen

Im Berufsalltag tauschen wir ständig Informationen aus. Dabei geht es meistens sachlich zu, aber Gefühle spielen bei jeder Begegnung eine Rolle – auch wenn Sie Ihren Kolleg.innen sozusagen in einem Text begegnen.

Der Kommunikations-Wissenschaftler Schulz von Thun hat sich angesehen, welche Ebenen bei der Kommunikation zum Tragen kommen und hierzu das Vier-Seiten-Modell entworfen. Es hilft zu verstehen, warum es Missverständnisse gibt, wenn Schreibende und Lesende jeweils eine andere Seite eines Textes betonen.

In jedem Text stecken

  • sachliche Informationen,
  • Aussagen über das Verhältnis des Schreibenden und Lesenden eines Textes,
  • Eine Selbstoffenbarung des Schreibenden, der/die etwas von sich zu erkennen gibt,
  • Ein Appell, mit dem Schreibende Lesende aktivieren möchten.

Mir kommt es so vor, als wollten Ihre Kollegen mit den „!!!“ den Appell-Charakter ihrer E-Mail verstärken. Klar ist es allerdings nicht. Sie könnten vermutlich auch schreiben: „Bitte kümmern Sie sich schnell um diese Angelegenheit.“, oder sie könnten damit offenbaren, wie gestresst sie sind. – Könnten diese Übersetzungen zutreffen?

Produktiver Umgang mit (verdeckten) Gefühlen in E-Mails

Auch wenn Gefühle im Berufsalltag keine offensichtliche Rolle spielen, sind sie doch vorhanden. Das zu realisieren, kann schon hilfreich sein. Und Ihre Kollegen werden unterschiedliche Temperamente haben: Manche schreiben einfach gefühlvoller als andere, manche sind direkter oder aber sachlicher.

Damit die „!!!“ in Zukunft kein Unbehagen mehr auslösen, können Sie diese für sich übersetzen. Sollte die Botschaft trotzdem rätselhaft bleiben, schicken Sie die Mail zurück mit der Frage: „Was möchten Sie mir damit sagen?“. Dadurch kann eine klärende Unterhaltung in Gang kommen.

Katja Frechen,
grüßt herzlich aus dem [schreibzentrum.berlin].

Daniela Liebscher