Frage: Viele wissenschaftliche Texte sind dicht geschrieben, sehr sachlich und sprachlich komplex. Wie bringe ich da als Promovierende meine persönliche Stimme ein?
Antwort: Gratulation! Sie möchten sich von bestimmten Fachtexten abgrenzen. Genau damit übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Doppelaufgabe als Promovierende_r: 1. Sie sollen die Fachcommunity mit überzeugenden Ergebnissen Ihres Forschungsprojekts voranbringen. 2. Sie sollen dabei als eigenständige Forschungspersönlichkeit erkennbar werden.
Neben der inhaltlichen Ebene gibt es in der Wissenschaft also immer auch eine persönliche. Das Zusammenspiel prägt Ihre „individuelle Stimme“:
So erhalten Ihre wissenschaftlichen Texte Ihre persönliche Stimme:
- In den Geistes- und Sozialwissenschaften legen Sie mit der Themen- und Methodenwahl den Grundton für den Text, der entstehen soll. Fachkompetenzen, Interessen, Lebenserfahrung und eine bestimmte Sicht, die nur Sie einbringen, fließen in Ihren Forschungs- und Schreibprozess ein. In den Natur-, Lebens- und Ingenieurswissenschaften ist dieser Aspekt weniger offensichtlich, weil es teilweise um Auftragsforschung geht und die Texte stärker genormt sind. Doch fachliche, interessengeleitete und persönliche Voraussetzungen und Umstände lenken hier genauso die Entscheidungen der Forschenden. Ihrer persönlichen Stimme kommen Sie am nächsten, wenn Sie sich immer wieder an Ihre Grundmotivation erinnern und anderen erklären können, was Ihre Forschung einmalig und besonders macht.
- Das Schreiben dient in allen Fächern als Forschungsmethode. Nutzen Sie gezielt die Schreibtechnik des Freewriting. Sie bilden durch Schreibdenken Ihre fachliche Argumentation heraus. Gleichzeitig trainieren Sie Ihren persönlichen Schreibstil, denn die Wörter fließen unverstellt aus Ihrem Kopf und Herzen. Dabei entstehen ansprechende, weil authentische Texte. Nutzen Sie diese Erstentwürfe und überarbeiten Sie diese schrittweise.
- Während der schrittweisen Überarbeitung vollziehen Sie auch auf persönlicher Ebene eine Art Häutungsprozess. Sie merken diese Anstrengung vermutlich beim Schreiben jener Textteile, in denen Sie sich – je nach Fach – positionieren müssen: „Einleitung“/“Schluss“, „Theorieteil“, „Diskussion“. Hier zeigen Sie, wie Sie Ihre Forschungsergebnisse fachlich einordnen, und erläutern, wofür Sie stehen. Seien Sie mutig dabei. Denn je klarer Sie fachlich Position beziehen und Ihre Gründe und Belege nennen, desto sichtbarer werden Sie als eigenständige Forschungsperson.
Wo immer Sie Ihr Denken und Entscheiden Ihren Fachkolleg_innen klar und nachvollziehbar präsentieren, verhalten Sie sich wissenschaftlich. Finden Sie in Ihrem Fachgebiet eine klare inhaltliche Position. Und übermitteln Sie das mit Ihren Worten. Das ist Ihre ganz persönliche Stimme!
Viel Erfolg beim Schreiben wünscht Ihnen
Ihre Dr. Daniela Liebscher