Schreiben im Team – Grundformen des kollaborativen Schreibens

Vignette des [schreibzentrum.berlin] zu Montags-#Schreibtipps rund ums wissenschaftliche SchreibenFrage: Wir sind eine Gruppe Promovierender an einem Forschungsinstitut und wollen gern gemeinsam einen wissenschaftlichen Artikel schreiben. Auf welche Weise können wir das am besten machen, was hat sich da in der Praxis bewährt?

Antwort: In vielen wissenschaftlichen Disziplinen und Institutionen ist es üblich, Fachartikel und andere Texte im Team zu verfassen. Die Form, in der dieser Prozess abläuft, kann dabei sehr unterschiedlich sein, je nach der Zusammensetzung des Schreibteams, des zeitlichen Rahmens, den inhaltlichen Anforderungen oder externen Vorgaben für den Text.

In der Praxis haben sich drei Grundformen gemeinsamer Textproduktion etabliert. Die nachfolgende Tabelle zeigt die verschiedenen Team-Konstellationen und nennt deren jeweiligen Herausforderungen und Stärken sowie, wann und wofür sich die betreffende Form insbesondere eignet.

GLEICHZEITIG UND GEMEINSAM GLEICHZEITIG, ABER SEPARAT ERSTENTWURF AUS EINER HAND
Hier schreiben alle Teammitglieder alle Textteile gemeinsam.

Setting:
Zwei oder mehr Personen sitzen in einem Raum nebeneinander am Computer (oder sind über Videokonferenz mit gemeinsamem Zugriff auf das Dokument verbunden) und schreiben den Text gemeinsam.

Geeignet für:
–  alle Textarten

– kleine Teams (Tandems, Trios)

Herausforderungen:
– genügend häufig genügend viel Zeit miteinander zu finden (gemeinsame Termine)

– eventuell viel Kompromissbereitschaft nötig, um gemeinsame Lösungen zu finden

Stärken:
– Es entsteht von Anbeginn eine starke Textkohärenz.

– Starkes Motivationsgefühl aller Beteiligten durch ein hohes Maß an Identifikation mit den Aufgaben und dem Text.

– Konzeptionelle, inhaltliche, strukturelle oder sprachlich-stilistische Änderungen sind leichter umzusetzen, da sie immer sofort besprochen und vereinbart werden können.

 

Hier schreiben alle Teammitglieder parallel an jeweils unterschiedlichen Abschnitten.

Setting:
Die Teammitglieder teilen den Text in Abschnitte auf und schreiben diese getrennt voneinander. Dann fügen eine oder mehrere Personen die Teile zusammen.

Geeignet für:
– Texte, die aus voneinander unabhängigen Abschnitten bestehen und nur einen verbindenden Rahmen (Einleitung und Schluss/Fazit) haben.

– Teams, deren Mitglieder durch andere Verpflichtungen nicht regelmäßig oder zu festen Zeiten an dem Text arbeiten können.

Herausforderungen:
– im Team gemeinsame Festlegungen und Verabredungen zu treffen in Bezug auf den Arbeitsprozess und den Text

– größerer Überarbeitungsaufwand zur Herstellung stilistischer und dramaturgischer Kohärenz

– Risiko von Verzögerungen, wenn einzelne Teammitglieder interne Fristen verpassen

Stärken:
– Der Text kann schnell wachsen, da er an vielen Stellen gleichzeitig entsteht.

– Textabschnitte und Aufgaben können je nach fachlichen, stilistischen oder lektorischen Stärken einzelner Teammitglieder gezielt vergeben werden.

Hier hat ein Mitglied des Teams als Erst-Autor*in den Hut auf. Die anderen Team-Mitglieder sind Ko-Autor*innen.

Setting:
Eine Person schreibt den ersten Entwurf des ganzen Textes. Je nach Absprache im Team fügen die anderen Teammitglieder anschließend Ergänzungen hinzu, ändern Textteile oder machen Vorschläge für die Textüberarbeitung.

Variante: Erst-Autor*in lässt Lücken im Text, die von anderen Teammitgliedern (Ko-Autor*innen) mit speziellem Fachwissen gefüllt werden.

Geeignet für:
– Texte, bei denen die einzelnen Kapitel nicht parallel stehen, sondern kausal oder chronologisch voneinander abhängen und aufeinander aufbauen.

– Texte, bei denen für einzelne Teile spezifisches Fachwissen von Ko-Autor*innen benötigt wird.

Herausforderungen:
– Die Ko-Autor*innen müssen die Funktion ihrer Zuarbeit innerhalb des Textganzen verstehen.

– Eventuell geringeres Engagement der Ko-Autor*innen, da sie weniger in den Prozess involviert sind oder sich diesem weniger verpflichtet fühlen.

Stärken:
– Der Prozess ist zentralisiert und kann leichter zielgerichtet gesteuert werden.

– Das Risiko von Verzögerungen durch Abhängigkeiten im Prozess ist geringer, wenn Erst-Autor*in bei ausbleibenden Rückmeldungen von Ko-Autor*innen Entscheidungen auch allein treffen kann.

– Durch den Erstentwurf aus einer Hand wird ein hohes Maß an Textkohärenz ermöglicht.

Zu den hier vorgestellten Grundformen kollaborativen Schreibens gibt es Varianten und Mischformen. So nutzen manche Teams für ihre Schreibprojekte teilweise auch unterschiedliche Settings für verschiedene Textabschnitte oder Arbeitsphasen.

Autorschaften

Auch wenn nur das Format „Erstentwurf aus einer Hand“ explizit die Erstautorenschaft erwähnt, muss auch bei den beiden anderen Formaten geklärt und vereinbart werden, auf welche Weise letztlich die Nennung der beteiligten Autor*innen im Artikel erfolgen soll. Hier können dann Faktoren wie Anteile an der Konzeption der Studie, Anteile an der Datenerhebung und Datenauswertung, an der Überarbeitung oder an der Korrespondenz mit dem Journal berücksichtigt werden, um zu einer einvernehmlichen Bestimmung von Erst- und Ko-Autorschaften zu gelangen.

Fazit: Schreiben im Team

Überlegen Sie in Ihrer Gruppe, welches Setting für Sie und Ihr Textvorhaben am besten passt und probieren Sie es einfach einmal aus. Alle Formate haben ihre Stärken und alle Formate ermöglichen es Ihnen, von- und miteinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu motivieren sowie ihre individuellen Schreib- und Textkompetenzen weiterzuentwickeln.

Mit herzlichem Gruß aus dem [schreibzentrum.berlin]

Ihr Dr. Sven Arnold

 

 

Literatur:

Paul J. Silvia (2015). Write it up. Practical Strategies for Writing and Publishing Journal Articles. (Chapter 3: “Writing with others. Tips for Coauthored Papers”). Washington D.C.: American Psychological Association

Helen Sword (2017). Air & Light & Time & Space. How Successful Academics Write. (Chapter 8: „Writing with Others“). Cambridge, Massachusetts / London, England: Harvard University Press

Pat Thomson / Barbara Kamler (2013): Writing for peer reviewed journals. Strategies for getting published. (Chapter 8: “Writing with others”). London, New York: Routledge.

E. Liebscher