Montags-#Lesetipp: Joli Jensen: Write no matter what. Advice for Academics. University of Chicago Press, 2017

Vignette des [schreibzentrum.berlin] für Angebote des wissenschaftlichen SchreibensFrage: Wie können Wissenschaftler_innen trotz vieler Verpflichtungen im akademischen Alltag regelmäßig schreiben und publizieren? Wie bleibt die Schreibmotivation erhalten?

Antwort: In „Write No Matter What“ beschreibt Joli Jensen, emeritierte Professorin für Media Studies und die Gründungsdirektorin des Faculty Writing Programs der University of Tulsa (Oklahoma), die Herausforderungen des wissenschaftlichen Schreibens im stressigen akademischen Alltag und gibt hilfreiche Tipps.

Jensens Buch ist meine Leseempfehlung, weil sie nicht nur praktische Ideen vermittelt, sondern auch behandelt, wie Akademiker*innen mit Selbstzweifeln umgehen können, die ihnen beim Schreiben begegnen. Jensen wendet sich in ihrem Buch an ihre professoralen Kolleg*innen, was ich ungewöhnlich finde, da diese Gruppe zumindest in Deutschland mit ihren Selbstzweifeln selten im Zentrum von Schreibratgebern steht. Sie schreibt mit einem Fokus auf diejenigen, die Forschen, Schreiben und Lehren gerade erst zu ihrem Beruf gemacht haben. Deshalb ist das Buch auch für Promovierende und Promovierte an deutschen Hochschulen nützlich.

Schreiben trotz vieler Verpflichtungen im akademischen Alltag

Der Titel des Buches „Write not matter what“, bezieht sich einerseits darauf, eine regelmässige Schreibroutine zu entwickeln, ein Tipp, den man in vielen Schreibratgebern findet. Jensens geht jedoch darüber hinaus: Sie ermuntert auch zu schreiben, egal welche Herausforderungen und Selbstzweifel das häufig schreibfeindliche wissenschaftliche Umfeld so mit sich bringen – man könnte es auch so verstehen: „write no matter what happens“. Dabei hilft es, so Jensen, Schreiben als ein Handwerk zu verstehen, welches erlernbar ist und nicht etwa als Kunstform, die nur wenigen Talentierten offensteht. Um das Schreibhandwerk ausüben und einüben zu können, müssen fruchtbare Schreibbedingungen selbst geschaffen werden.

Treffend fand ich Jensens Formel für produktives Schreiben: Wissenschaftler*innen bräuchten „frequent, low-stress contact with a writing project we enjoy “ – leider ist das genau das Gegenteil davon, wie akademische Schreibprojekte heute häufig aussehen. Jensen schlägt drei „taming techniques“ vor, um das Schreiben trotz widriger Umstände zu meistern: feste Schreibzeiten, die absolute Priorität haben, ein ungestörter Schreibort und die Vereinbarung, die Zeit, in der die eigene Energie am höchsten ist, auch mit Schreiben zu verbringen. Das fand ich auch für mich einen guten Hinweis, da ich – wie wahrscheinlich auch viele Schreibende – meine Arbeit am Schreibtisch häufg zuerst mit dem Beantworten von Emails starte, anstatt diese bei mir energiereiche Zeit mit kognitiv anspruchsvolleren Aufgaben zu verbringen.

Mythen entzaubern und Selbstzweifel meistern

Besonders eindrücklich fand ich das Kapitel „Challenging writing myths“. Darin beschreibt Jensen den Umgang mit einer ganzen Reihe von Ängsten und negativen Glaubenssätzen, die ich größtenteils auch aus meinen Schreibberatungen und zum Teil aus meiner eigenen Dissertationszeit kenne. So schildert sie, wie man beispielsweise mit der Angst umgehen kann, dass die eigene Arbeit später zerrissen wird („Hostile Reader Fear“). Das Unterkapitel „Compared with X“ behandelt die in der Wissenschaft allgegenwärtige und manchmal blockierende Situation, sich mit anderen messen zu müssen. „The magnum opus myth“ weist darauf hin, wie schreibhemmend der Anspruch an sich sein kann, ein ganz bedeutendes Werk schreiben zu müssen.

Motivation aufrechterhalten und Hindernisse überwinden

Eine interessante Perspektive bietet auch der Teil des Buches, der Motivation und Schreibblockaden behandelt. Viele Wissenschafter*innen wählen ihre Schreibprojekte zu sehr nach strategischen Gesichtspunkten aus, so Jensen, wobei die Motivation auf der Strecke bleibt. Sie ermutigt dazu, stärker danach auszuwählen, was einem wirklich am Herzen liegt. Im Falle einer Blockade schlägt sie vor, im Kontakt mit dem Schreibprojekt zu bleiben und sich die Gründe für die Blockade zu vergegenwärtigen. Weiterhin betont sie die Bedeutung von Feedback und Gemeinschaft beim Schreiben und Überwinden von Blockaden.

Zusammenfassend bietet „Write No Matter What“ eine motivierende Perspektive auf das wissenschaftliche Schreiben im akademischen Alltag und gibt viele praktische Tipps, wie man trotz vielfältiger Belastungen eine produktive Schreibroutine aufrechterhalten kann. Gern habe ich das Buch gelesen, weil Jensen es aus der Perspektive ihrer eigenen Schreiberfahrungen und ihrer eigenen Schreibprobleme verfasst hat. Das habe ich noch nicht so oft von einer Professorin gelesen. Es gehört zu Jensens Anliegen, Schreibunterstützung für Wissenschafter_innen aller Karrierestufen anzubieten, wie z.B. in dem von ihr gegründeten Faculty Writing Program. „Everyone benefits when academic writing is demystfied […] and we are starting to give up the belief that “real” scholars should and must figure it out on their own “(150). Ein realistisches Bild akademischen Schreibens hilft also allen, Professor*innen wie auch den von ihnen Betreuten.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Dr. Andrea Adams

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Daniela Liebscher