Frage: „Zu meiner Dissertation führe ich ein Forschungsjournal, in das ich regelmäßig eintrage, was ich mache, lese oder denke. Mittlerweile ist das Journal aber so voll, dass ich eigentlich keinen Überblick mehr habe. Und ich vergesse auch, zu was ich schon mal etwas geschrieben habe. Gibt es Tipps, wie ich besser mit dem Journal arbeiten könnte?“
Antwort: Vielen Forschenden hilft ein Arbeits- oder Forschungsjournal, um Gedanken festzuhalten, Ideen zu entwickeln und Fragen zu identifizieren. Zugleich begegnen viele Forschende dabei aber auch der von Ihnen geschilderten Herausforderung: den Überblick zu behalten. Denn bei regelmäßigen Einträgen wächst das Journal rasch an und damit häufig auch die Schwierigkeit, sich alles zu merken und auch wiederzufinden. Der Schlüssel zur Schatzkammer des Forschungsjournals liegt in einer einfachen und effektiven Maßnahme: die Einträge regelmäßig zu prüfen und zu verwerten. Wie kann das konkret aussehen?
Das Forschungsjournal regelmäßig auswerten
Definieren Sie einen für Sie passenden Rhythmus für eine regelmäßige Auswertung Ihres Journals. Je nach Häufigkeit und Menge Ihrer Einträge kann beispielsweise eine monatliche oder eine quartalsweise Auswertung sinnvoll sein. Integrieren Sie die Auswertung als einen wiederkehrenden Arbeitsschritt in Ihren Forschungsprozess und tragen Sie die Termine dafür in Ihren Kalender ein.
Die Aufgabe für diesen Arbeitsschritt ist dann immer derselbe, unabhängig davon, ob Sie Ihr Journal digital oder handschriftlich führen: Schauen Sie sich alle Einträge seit der letzten Auswertung an und treffen Sie zu jedem Eintrag eine Entscheidung!
Das Ziel dabei ist, alle jene Einträge, die Sie weiterhin für gültig erachten, in konkrete Planungen, Handlungen oder Zuordnungen zu überführen und sich von allen nicht mehr gültigen Einträgen zu trennen.
Zu jedem Eintrag eine Entscheidung treffen
Schätzen Sie jeden Eintrag in Bezug auf seine Gültigkeit und sein Potenzial hin ein und entscheiden Sie, ob und wenn ja wie Sie ihn weiterverfolgen wollen. Dabei können Sie drei zentrale Kategorien aufstellen:
1.) Der Eintrag hat sich erledigt. Entweder, weil Sie diesen Eintrag bereits umgesetzt haben oder weil sich Ihr Projekt inzwischen so entwickelt hat, dass der eingetragene Gedanke oder Hinweis überholt oder für Ihr Projekt nicht mehr zielführend ist. Streichen Sie diesen Eintrag einfach durch. Wenn Sie ein digitales Journal führen, können Sie den Eintrag auch einfach löschen.
2.) Der Eintrag betrifft eine inhaltliche Idee, Beobachtung oder Feststellung und Sie finden ihn weiterhin gültig oder interessant. Überführen Sie diesen Eintrag an eine Stelle, in deren Kontext er gehört – beispielsweise in die Datei mit Ihrem Methodenkapitel oder dorthin, wo Sie Informationen speziell zu Ihrem Datensample sammeln. Streichen Sie ihn dann im Journal durch. Wenn Sie ein digitales Journal führen, dann schneiden Sie den Eintrag aus und fügen ihn an der neuen, kontextbezogenen Stelle ein. Integrieren Sie den Gedanken ausformuliert oder als Stichworte in Ihren Text oder markieren Sie ihn als vorläufig in der entsprechenden Datei. Wenn Sie später an dem betreffenden Kapitel oder Kontext arbeiten, können Sie entscheiden, ob der Gedanke weiterhin aktuell und verwertbar ist, aber sie müssen nicht mehr im Forschungsjournal nach ihm suchen.
3.) Der Eintrag enthält eine Aufgabe, zum Beispiel etwas zu recherchieren, etwas zu besorgen oder mit jemandem etwas zu klären. Planen Sie nun konkret, wann, wo und eventuell mit wem Sie diese Aufgabe erledigen wollen und tragen Sie sie entsprechend in Ihren Kalender ein. Streichen Sie anschließend den Eintrag im Journal durch beziehungsweise löschen Sie ihn dort.
„General-Check“ eines bereits übervollen Journals
Wenn Sie bereits ein Forschungsjournal führen und sich darin eine Vielzahl unterschiedlichster Einträge angesammelt hat, dann benötigen Sie natürlich mehr Zeit, um alle Einträge zu prüfen und Entscheidungen zu ihnen zu treffen. Planen Sie für diesen erstmaligen „General-Check“ mehrere auf mehrere Tage verteilte Arbeitseinheiten. Wenn Sie alle Einträge verarbeitet und das Journal damit auf den aktuellen Stand gebracht haben, arbeiten Sie dann in einem angemessenen Rhythmus regelmäßiger Auswertung damit weiter.
Nutzen der Auswertung
Durch eine regelmäßige Auswertung müssen Sie immer nur die Einträge seit dem letzten Check bearbeiten. Sie verhindern so, dass Ihr Forschungsjournal unversehens zu einem schwarzen Loch wird, in dem nach und nach alles in der Menge disparater Ideen und Einträge verschwindet. Stattdessen machen Sie es damit zu einem starken Begleitinstrument in Ihrem Arbeitsprozess.
Mit herzlichem Gruß aus dem [schreibzentrum.berlin]
Ihr
Dr. Sven Arnold
Lesen Sie zum Thema „Forschungsjournal“ auch den Beitrag „Schreiben von Anfang an: Wie das Forschungsjournal den Schreibprozess unterstützt“ von Andrea Adams.