Montags-#Lesetipp: Pat Thomson und Barbara Kamler: Detox your writing, Strategies for doctoral researchers Routledge, 2016

Vignette des [schreibzentrum.berlin] für Angebote des wissenschaftlichen SchreibensDer Titel des Buches „Detox your Writing” (also in etwa: „Entgifte dein Schreiben“) von Pat Thomson und Babara Kemler ist Programm: Die Autorinnen wollen Promovierenden Strategien an die Hand geben, etablierte und erlernte, aber unproduktive Schreibstrategien und -haltungen loszuwerden. Pat Thomson (University of Nottingham, Großbritannien) und Barbara Kemler (Emerita Deakin University, Australien) behandeln typische Herausforderungen von Promovierenden beim Scheiben ihrer Dissertation. Besonders gefallen hat mich ihr Anliegen, nicht einen weiteren „How to Guide“ zu schreiben zu wollen, in dem sie Promovierenden vermitteln „wie man es machen muss“. Stattdessen verstehen sie Schreiben und Schreibherausforderungen als individuell, worauf nur auch nur mit individuell anpassbaren Schreibstrategien reagiert werden kann. Besonders hilfreich erscheint mir dabei ihr Ansatz, Schreibschwierigkeiten durch das Ausprobieren neuer Schreibstrategien und durch eine veränderte Haltung zum Problem zu überwinden.

Produktive Haltung entwickeln und neue Schreibstrategien ausprobieren

Thomson und Kemler widmen sich in ihrem Schreibratgeber häufigen Stolperfallen beim wissenschaftlichen Schreiben bei Promovierenden, z.B.:

  • Wie bewältige ich den Berg von Literatur?
  • Wie bekomme ich einen Überblick über den Forschungsstand?
  • Wie strukturiere ich meine Dissertation?
  • Wie schreibe ich, wenn ich unsicher bin, ob meine Thesen wirklich standhalten?
  • Wie überarbeite ich meinen Text?

Die einzelnen Kapitel im Buch haben einen ähnlichen Aufbau: Zuerst präsentieren die Autorinnen eine „große Idee“, also eine andere, produktivere Haltung, das Problem umzudeuten. Dann zeigen Thomson und Kamler verschiedene Strategien auf, praktisch damit umzugehen. Ergänzt wird dies von Erfahrungsberichten von Forschenden – von Promovierenden, anderen Wissenschaftler_innen, aber auch von den Autorinnen selbst. Diese zeigen, wie die Strategien praktisch umgesetzt werden oder bieten Textbeispiele, in denen die Strategien angewandt worden sind.

Fachliteratur leichter lesen, auswerten, integrieren

Das Kapitel „Beginning literature work“ zum Beispiel berichtet von einem häufigen Problem von Nachwuchswissenschaftler_innen: Das Gefühl, in den Unmengen von Literatur verloren zu sein. Zunächst beschreiben Thomson und Kemler, dass eine gewisse Unsicherheit über die Forschungsliteratur den Dissertationsprozess wie auch andere Forschungsprozesse konstant begleitet. Forschende wechseln zwischen einem Status des Wissens und des Nichtwissens hin und her. Das müssten sie aushalten: Das Nichtwissen gehört zum Forschungsprozess dazu, denn nur so entstehen neue Fragen.

Als eine Strategie, mit dem Gefühl der Überforderung und der Unsicherheit umzugehen, empfehlen Thomson und Kemler, sich klarer zu machen, was lesen überhaupt bedeute. Wichtig wäre es, zu verstehen, dass nicht alle Literatur, die zu einem Thema existiert, gelesen werden muss. Ein Forschungsfeld zu überblicken bedeute vielmehr, zu verstehen, in welche Kategorie ein Buch gehöre und sich eine Landkarte zu erschließen, auf der die Kategorien für das eigene Thema verzeichnet sind.

Metaphern erleichtern die Herangehensweise an wissenschaftliche Literatur

Als weitere Strategie schlagen sie vor, Metaphern zu finden, die das Lesen begleiten.  Eine Metapher wäre z.B. die „Dinner Party“ zu der alle diejenigen eingeladen werden können, mit denen Schreibende über ihr Thema sprechen wollen. Schreibende sollten sich überlegen: Wer wird eingeladen? Wessen Arbeit ist für mich am wichtigsten? Wer muss nicht eingeladen werden? Wer wird neben mir sitzen und mit mir am intensivsten sprechen? Was möchte ich den Gästen servieren/ von meiner Arbeit zeigen? Wen möchte ich vielleicht nur grüßen, aber nicht mit ihnen in eine tiefergehende Konversation eintauchen?

In „Detox your Writing“ bringen die beiden Professorinnen nicht nur ihre praktischen Erfahrungen als Lehrende und selbst Schreibende ein, sondern auch ihre eigene Forschung zum wissenschaftlichen Schreiben. Den Ansatz, das Schreiben zu „entgiften“, in dem Schreibende unproduktive Denkmuster ablegen und eine neue Haltung zum Schreiben entwickeln, finde ich besonders überzeugend. Neben der Vielzahl von Tipps und sofort umsetzbaren Strategien, die das Buch bietet, beschäftigen sich Thomson und Kemler auch immer wieder damit, wie Promovierende ihren Platz im Forschungsfeld entdecken und als Wissenschaftler_innen ihre eigene Position aufspüren und behaupten können. Damit bieten sie eine hilfreiche Reflexion für Promovierende in dem Prozess, die „eigene Stimme“ beim Schreiben zu entdecken und damit eine Identität als Forscher*in auszubilden.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Dr. Andrea Adams

Zur Verlagsseite: Pat Thomson/Barbara Kamler, (2016) Detox Your Writing. Strategies for doctoral researchers, Routledge: Milton Park, Abingdon

E. Liebscher